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Zdravko-Valentin Haderlap (sen / st)
Die Buben werden nicht durchkommen
(aus Spurensuche, erzählte Geschichte der Kärntner Slowenen / ÖBV – Band IV)
erzählt von Valentin -Zdravko Haderlap sen. (1933 - 2001)
Im zweiundvierziger Jahr, im September, holten die Partisanen den Vater. Es kann schon sein, dar das ausgemacht war zwischen ihnen. Der Vater kam immer wieder heimlich nach Hause, wir Kinder wussten das nicht, das war eine geheime Sache. Im Herbst 1943 arretierten mich die Deutschen. Ich weidete gerade die Kühe an der Straße. Ich musste jeden Tag, eine Stunde die Kühe weiden, bis halb acht. Um acht musste ich dann in der Schule sein. An diesem Morgen aber kamen an die 30 bis 40 Deutsche, kreisten mich ein und fragten, wann der Vater nach Hause komme. Einige Zeit fragten sie mich, dann zogen sie aus den Rucksäcken die Schnüre heraus, legten sie mir um den Hals und hängten mich auf einen Ast auf, ließen mich wieder herunter, zogen mich wieder hinauf, dann wieder herunter, dreimal. Jemand, der den Partisanen, davongelaufen war, hatte den Deutschen erzählt, dass mein Vater öfters
nach Hause komme und sich auch bei den Bauern in der Umgebung aufhalte. Deswegen haben sie mich auch gemartert. Nach einiger Zeit kamen die Kuchar Zofi herunter und sagte: »Der muss ja noch in die Schule gehen." Sie aber sagten: »Der wird nicht in die Schule gehen«, dann ging einer hinauf meine Mutter holen und befahl ihr, die Kühe zu hüten, mich aber nahmen sie mit hinauf. Das ganze Haus haben sie auf den Kopf gestellt, sie haben alles durchwühlt, alle Papiere durchgeschaut.
Mich haben sie dann den ganzen Tag herumgetrieben. Wir kommen hinauf zu den Èemer-Feldern, da beginnen sie auf einmal zu schreien: „Hände hoch, Hände hoch“, sie hatten den Èemer Johi erwischt. Der ist gerade vom Hügel heruntergekommen. Er hatte auch manchmal für die 'Partisanen gearbeitet. Mich hatten sie schon dabei, und jetzt waren wir zwei Gefangene. Sie haben ihn so verprügelt, oh Madonna, dass sogar einer meiner Bewacher gesagt hat: „Treibens den Buben da weg.“ Und da hat mich einer etwas weiter weg gebracht, der hat fein slowenisch gesprochen. Er sagte: „Ihr werdet beide noch so verprügelt werden, sag doch die Wahrheit.“ Dann jagten sie uns von verratenem zu verratenem Bunker, aber sie haben niemanden mehr dort gefunden. Um zwei Uhr in der Früh brachten sie uns zur Polizei nach Eisenkappel, der Gendarm Orlitsch telefonierte noch irgendwohin: „Wir haben zwei Buben, einer ist 12 Jahre, der andere 15 oder 16.“ Den Johi steckten sie in den Arrest mich in ein Zimmer, und eine Decke warfen sie mir noch hin, so lag ich dann dort.
In der Früh brachten sie mich in ein anderes Zimmer und hängten mich auf einen Kleiderhänger auf, zum Teufel, so einen Jungen, an den Kleidern aufhängen, und einer hat mich mit der Hundepeitsche verprügelt. Das war so ein Gestell mit Schnüren dran, mit dem schlug er mir ins Gesicht: „Wie oft war der Vater zuhause?“ Zum Schluss sagte er mir: „Sie lügen, Sie können verschwinden.“ Der hat mich gesiezt. Ich habe mir gedacht, Sakrament, jetzt bin ich aber frei und bin auf die Türe zugerannt. Er macht die Tür auf und sagt: „Werden Sie wohl Heil Hitler sagen!“. „Hol euch der Teufel“, denk' ich mir und renn' los. Ich laufe bis zur Rastoènik-Brücke, da kommt mir schon meine Mutter entgegen. Sie will zurückgehen auf die Gendarmerie und sich beschweren. Ich flehe sie aber an: „Bitte, bitte, gehen wir, schnell, gehen wir schnell.“ Ich hatte so eine Angst vor denen. Ich war völlig zerschlagen, bis zu den Knien hinauf blau. Die Polizei hatte mir noch die Nachricht mitgegeben, dass die Peènik Mici sich um acht Uhr früh bei denen melden müsste. Sie rannte zuerst zu den Partisanen und fragte sie, was sie tun sollte, und die haben ihr gesagt: „Was können sie dir tun, nichts können sie dir tun.“ Sie ist von zuhause weggegangen, auf die Polizei, und nicht mehr zurückgekommen. Sie ist in Lublin geblieben. Kurz darauf sind sie die Mutter holen gekommen. Bei ihrer Verhaftung hat der Orlitsch meinen Bruder so geohrfeigt, dass er ganz geschwollen war, die Mutter hat sich vor ihn gestellt und da haben sie auch sie verprügelt.
Dann ist die Tante Leni zu uns gekommen, die Kuchar, die hat hier gewirtschaftet und auch schon Verbindungen zu den Partisanen gehabt. Die sind jeden Tag gekommen, bis 1944 im Oktober, dann mussten wir fliehen. Wir sind ins Bataillon gegangen, bis der Vater uns holen kam, aber schon bald sprach der Kommandant bei ihm vor und sagte: „Du kannst die Buben nicht bei dir haben, es ist zu gefährlich, gib sie ins Savinja-Tal.“ Die Partisanen hielten Solèava besetzt, das ganze Tal, Ljubno, Gornji grad, Mozirje, dort waren keine Deutschen mehr. Und dann war ich mit meinem Bruder unten beim Stab der Kuriere in der Hauptstation, auf einem Bauernhof. Ich war noch so jung, dass ich zur Schule ging in Luèe, 8 oder 14 Tage lang. Dann haben die Deutschen das Savinja-Tal von allen Seiten überfallen. Sie rückten an, aus Jugoslawien, aus Österreich, und wir mussten vom Bauernhof fliehen. Zuvor räumten wir noch alles weg, wir hatten einen Haufen Schreibmaschinen. Noch am Vormittag gruben wir auf der Wiese ein Loch, drei bis vier Meter lang, wir gaben Stroh hinein und alle Apparaturen drauf - die Deutschen schossen so über das Feld, dass die Erde nur so spritzte -, gaben auf die Schreibmaschinen wieder Stroh, und dann die Erde und Gras drauf. Nichts war zu sehen, es war alles wie zuvor. Der Bauer war schon früher abgehauen, und dann machten wir uns auch auf den Weg, so um drei Uhr am Nachmittag, und wir marschierten die ganze Nacht durch.
Am nächsten Tag griffen uns die Deutschen wieder an und jagten uns. Alle Partisanen aus dem Savinja-Tal hinauf auf die Velika planina. Vereinzelte haben sich selbständig durchgeschlagen, aber die meisten Partisanen haben sich auf der Velika planina wieder getroffen. Es war aber Jänner, der Schnee lag hoch, dort oben hat es viele Hütten gegeben, du hast keine gesehen, nur so einen Bug, und wenn du vor die Hütte getreten bist, dann bist du eingebrochen, wo auch immer. Und die Deutschen die ganze Zeit hinter uns her. Da hat der Kommandant gesagt: „Die Buben werden nicht durchkommen, die sind zu schwach und die Deutschen hinter uns her.“ Da hat aber ein Bauer, ein gewisser Potoènik, so geschrien: „Ich habe den Weltkrieg durchlitten, ich nehme die Buben mit.“ Mit uns waren auch eine alte Frau und ein alter Mann, 70 Jahre alt, die konnten nicht mehr weiter. Wir sind zu einer Säge gekommen, da war ein Zimmer drinnen, und wir heizten ihnen ein, es war ein Sparherd drinnen, wir versprachen, sie am nächsten Tag abzuholen. In der Früh, als wir zurückkamen, war die Säge abgebrannt, es gloste noch ein wenig. Wenn der Potoènik damals uns nicht genommen hätte, hätte es meinen Bruder Tonèi und mich nicht mehr gegeben. Und dann waren wir acht Tage ohne Essen, zum Teufel, ich sag' dir, wir waren komplett ausgehungert.
Auf der Spitze der Velika planina zählten sie uns ab. Ich glaube, wir waren 1.800 Partisanen oben, jeden Tag weniger, denn von denen, die hinuntergingen, kam keiner zurück. Unten hatten die Deutschen alles eingekreist, die dachten sich wohl, irgendwo müssen sie ja hinunter kommen, wenn sie hungrig werden. Wir hatten oben zwölf oder dreizehn Pferde, jeden Tag hat eines gefehlt. Und dann kam in der Früh auf einmal das Kommando: „Jetzt aber fort, hinunter, zwischen den Deutschen hindurch, fertig, aus!“ Oh Gott, hat es gekracht. Um zwei Uhr in der Früh gingen wir einen Hügel hinunter; wir sind in der Rinne, in der normalerweise Baumstämme ins Tal geschickt werden, abwärts geglitten. Aus Kamnik leuchteten die Deutschen schon mit Scheinwerfern herauf, es war so hell, das man eine Nadel hätte finden können, aber es hieß: „Auf den Boden legen, liegen bleiben“. Dann weiter, um vier Uhr in der Früh waren wir unten bei der Straße, da hat es erst richtig zu krachen angefangen. Die haben so geschossen, dass, wenn du Richtung Hang geschaut hast, nur noch rote und blaue Striche zu sehen waren. Die Äste und Blätter sind nur so heruntergeprasselt. Dort lag einer und hat nur noch geschrien: „Hilf mir, hilf mir!“ Ich bin gerannt, als ob der Teufel hinter mir her wäre.
Auf dem Weg von der Velika planina sind wir aufgesplittert worden. Jede Gruppe ist in eine andere Richtung gegangen. Wie viele erschossen wurden, das weiß keiner. Unsere Gruppe war eine der ersten, die von der Velika planina in die Ebene gelangte, so dass wir in der Senke waren, als die Deutschen zu schießen begannen, und sie schossen über unsere Köpfe in den Abhang hinein. Auf der Straße lagen zwei Partisanen und schossen auf die Deutschen, wir wollten über die Brücke, unser Kommandant schrie: „Los, über die Brücke, durch das Wasser führt kein Weg.“ Das Wasser war nämlich zu hoch. Andrerseits schossen die Deutschen mit Maschinengewehren, dass die Kugeln nur so flogen, bei meiner Seel', dass du so etwas überlebst. Im Krieg ergeht's dem Menschen schlimmer als einem Hasen bei der Jagd. Über die Brücke konnten wir also nicht. Der Kommandant, ein junger Mann aus Ljubljana. schrie: „Durch das Wasser.“ Als der erste ins Wasser ging, war er auch schon weg. Einmal waren die Beine oben, einmal der Kopf, er wurde abgetrieben wie nichts. Was soll man da machen? Wir klammerten uns aneinander und sind hinüber. Über mich und meinen Bruder ist das Wasser nur so geronnen. Der, den es abgetrieben hatte, ist hundert Meter weiter unten angekommen. Und dann den ganzen Tag in den nassen Sachen herumlaufen. Und das im Jänner. Es ist alles sofort hart geworden, in dem Moment, in dem wir aus dem Wasser stiegen. Nur - gefroren hast du nicht, du bist ja gegangen wie der Teufel. Als wir am anderen Ufer waren, sagte der Kommandant: „Wer eine Zigarette hat soll sie schnell rauchen!“ Madonna, sie haben kaum diese nassen Tschik aus Zeitungspapier gedreht und angesteckt, griffen uns die Deutschen schon mit Granatwerfern an, weg mit den Tschiks und davon. Unser Glück, dass die Deutschen fünf Minuten zu früh angegriffen haben, sonst wären wir alle tot gewesen.
Dann rannten wir aber einen Tag lang. Wir sind in den Felsen gelegen - die Deutschen immer hinter uns her, hinauf und hinunter, bis wir in Krajn waren, und da hat dann der Kommandant gesagt: „So, jetzt aber hinein ins Dorf.“ Um vier Uhr am Nachmittag besetzten wir ein Dorf aus dem die Deutschen gerade gekommen waren. Hinein, hinein, wir brauchen etwas zu essen. Die Bauern baten uns: „Flieht, flieht, es sind lauter Deutsche ringsherum.“ Der Kommandant aber sagte: „Entweda - oder. Wir brauchen etwas zu essen, sonst krepieren wir.“ Dann haben sie uns aufgeteilt, zwei, drei, zu jeweils einem Bauern. Dort wo ich war, waren wir zu fünft, und wir bekamen einen Riesenlaib Brot, weiß, und eine große Schüssel Milch. Ich aß mich derart an, ich dachte, ich geh ein, so schlecht war mir dann. Oh Gott. Wir hatten uns kaum angegessen, da kam schon die Meldung: „Die Deutschen kommen ins Dorf fliehen wir.“ In Krajn gibt es diese länglichen kozolci [Harpfen], voll mit Heu, wir konnten nirgends mehr hin, hinter so einem kozolec haben wir uns versteckt. Hätten die Deutschen genauer hingeschaut, nicht einer von uns wäre übrig geblieben, bei meiner Seel, aber die sind einfach an uns vorbei und hinein in den Stall. Uns hat das Herz bis zum Hals geklopft, aber keiner hat zu uns hingeschaut. Vielleicht hat es einer getan und sich gedacht, bleibt nur, wo ihr seid. Vielleicht war auch kein Schlimmer dabei, 50 sind an uns vorbei und ins Dorf gegangen. Kaum waren sie an uns vorbei, rannten wir auf und davon.
Von dort weg hat uns dann wieder ein Bauer geführt. Der hat gesagt: „Ich begleite euch bis zur Straße, aber keinen Schritt weiter, da müsst ihr selber aufpassen.“ Freilich, wir gehen die Straße entlang, und nähern uns einem deutschen Bunker. Plötzlich begann es zu krachen, wir sprangen ins Wasser und rannten dann bis Kärnten. Weißt du, die haben aber auch so geschossen, ich glaube, da hat keiner richtig nach uns gezielt. Die haben sich gedacht: soll euch doch der Teufel holen. Gerade soviel, dass sie uns erschreckt haben. Wenn die wirklich gewollt hätten, die hätten uns erschossen wie nichts, die haben uns ja schon von weitem sehen müssen. Es ist ja nicht jeder Mensch gleich. Waren halt die Richtigen im Bunker, sonst hätten sie uns auf der Straße sofort niedergemetzelt. Na, und dann sind wir gegangen, bis wir bei der Košuta herausgekommen sind.
Von dort sind wir hinunter nach Ebriach, wir kommen zu einem Bunker, da hat schon der komandir auf uns gewartet, es war schon die Nachricht durchgegangen, dass wir kommen. Der hat uns in eine Jägerhütte gejagt, das war ihr Winterbunker, und zu uns gesagt: „Burschen, wir sind verraten, frühstückt schnell und dann geht, um vier Uhr in der Früh werden wir den Bunker räumen.“ Der, der uns geführt hat, hat überlebt und noch zwei, die sich im Schnee vergraben hatten, die anderen wurden alle von den Deutschen erschossen. Um sechs Uhr in der Früh haben dann die Deutschen das Jägerhaus überfallen.
(aus Spurensuche, erzählte Geschichte der Kärntner Slowenen / ÖBV – Band IV)
erzählt von Valentin -Zdravko Haderlap sen. (1933 - 2001)
Im zweiundvierziger Jahr, im September, holten die Partisanen den Vater. Es kann schon sein, dar das ausgemacht war zwischen ihnen. Der Vater kam immer wieder heimlich nach Hause, wir Kinder wussten das nicht, das war eine geheime Sache. Im Herbst 1943 arretierten mich die Deutschen. Ich weidete gerade die Kühe an der Straße. Ich musste jeden Tag, eine Stunde die Kühe weiden, bis halb acht. Um acht musste ich dann in der Schule sein. An diesem Morgen aber kamen an die 30 bis 40 Deutsche, kreisten mich ein und fragten, wann der Vater nach Hause komme. Einige Zeit fragten sie mich, dann zogen sie aus den Rucksäcken die Schnüre heraus, legten sie mir um den Hals und hängten mich auf einen Ast auf, ließen mich wieder herunter, zogen mich wieder hinauf, dann wieder herunter, dreimal. Jemand, der den Partisanen, davongelaufen war, hatte den Deutschen erzählt, dass mein Vater öfters
nach Hause komme und sich auch bei den Bauern in der Umgebung aufhalte. Deswegen haben sie mich auch gemartert. Nach einiger Zeit kamen die Kuchar Zofi herunter und sagte: »Der muss ja noch in die Schule gehen." Sie aber sagten: »Der wird nicht in die Schule gehen«, dann ging einer hinauf meine Mutter holen und befahl ihr, die Kühe zu hüten, mich aber nahmen sie mit hinauf. Das ganze Haus haben sie auf den Kopf gestellt, sie haben alles durchwühlt, alle Papiere durchgeschaut.
Mich haben sie dann den ganzen Tag herumgetrieben. Wir kommen hinauf zu den Èemer-Feldern, da beginnen sie auf einmal zu schreien: „Hände hoch, Hände hoch“, sie hatten den Èemer Johi erwischt. Der ist gerade vom Hügel heruntergekommen. Er hatte auch manchmal für die 'Partisanen gearbeitet. Mich hatten sie schon dabei, und jetzt waren wir zwei Gefangene. Sie haben ihn so verprügelt, oh Madonna, dass sogar einer meiner Bewacher gesagt hat: „Treibens den Buben da weg.“ Und da hat mich einer etwas weiter weg gebracht, der hat fein slowenisch gesprochen. Er sagte: „Ihr werdet beide noch so verprügelt werden, sag doch die Wahrheit.“ Dann jagten sie uns von verratenem zu verratenem Bunker, aber sie haben niemanden mehr dort gefunden. Um zwei Uhr in der Früh brachten sie uns zur Polizei nach Eisenkappel, der Gendarm Orlitsch telefonierte noch irgendwohin: „Wir haben zwei Buben, einer ist 12 Jahre, der andere 15 oder 16.“ Den Johi steckten sie in den Arrest mich in ein Zimmer, und eine Decke warfen sie mir noch hin, so lag ich dann dort.
In der Früh brachten sie mich in ein anderes Zimmer und hängten mich auf einen Kleiderhänger auf, zum Teufel, so einen Jungen, an den Kleidern aufhängen, und einer hat mich mit der Hundepeitsche verprügelt. Das war so ein Gestell mit Schnüren dran, mit dem schlug er mir ins Gesicht: „Wie oft war der Vater zuhause?“ Zum Schluss sagte er mir: „Sie lügen, Sie können verschwinden.“ Der hat mich gesiezt. Ich habe mir gedacht, Sakrament, jetzt bin ich aber frei und bin auf die Türe zugerannt. Er macht die Tür auf und sagt: „Werden Sie wohl Heil Hitler sagen!“. „Hol euch der Teufel“, denk' ich mir und renn' los. Ich laufe bis zur Rastoènik-Brücke, da kommt mir schon meine Mutter entgegen. Sie will zurückgehen auf die Gendarmerie und sich beschweren. Ich flehe sie aber an: „Bitte, bitte, gehen wir, schnell, gehen wir schnell.“ Ich hatte so eine Angst vor denen. Ich war völlig zerschlagen, bis zu den Knien hinauf blau. Die Polizei hatte mir noch die Nachricht mitgegeben, dass die Peènik Mici sich um acht Uhr früh bei denen melden müsste. Sie rannte zuerst zu den Partisanen und fragte sie, was sie tun sollte, und die haben ihr gesagt: „Was können sie dir tun, nichts können sie dir tun.“ Sie ist von zuhause weggegangen, auf die Polizei, und nicht mehr zurückgekommen. Sie ist in Lublin geblieben. Kurz darauf sind sie die Mutter holen gekommen. Bei ihrer Verhaftung hat der Orlitsch meinen Bruder so geohrfeigt, dass er ganz geschwollen war, die Mutter hat sich vor ihn gestellt und da haben sie auch sie verprügelt.
Dann ist die Tante Leni zu uns gekommen, die Kuchar, die hat hier gewirtschaftet und auch schon Verbindungen zu den Partisanen gehabt. Die sind jeden Tag gekommen, bis 1944 im Oktober, dann mussten wir fliehen. Wir sind ins Bataillon gegangen, bis der Vater uns holen kam, aber schon bald sprach der Kommandant bei ihm vor und sagte: „Du kannst die Buben nicht bei dir haben, es ist zu gefährlich, gib sie ins Savinja-Tal.“ Die Partisanen hielten Solèava besetzt, das ganze Tal, Ljubno, Gornji grad, Mozirje, dort waren keine Deutschen mehr. Und dann war ich mit meinem Bruder unten beim Stab der Kuriere in der Hauptstation, auf einem Bauernhof. Ich war noch so jung, dass ich zur Schule ging in Luèe, 8 oder 14 Tage lang. Dann haben die Deutschen das Savinja-Tal von allen Seiten überfallen. Sie rückten an, aus Jugoslawien, aus Österreich, und wir mussten vom Bauernhof fliehen. Zuvor räumten wir noch alles weg, wir hatten einen Haufen Schreibmaschinen. Noch am Vormittag gruben wir auf der Wiese ein Loch, drei bis vier Meter lang, wir gaben Stroh hinein und alle Apparaturen drauf - die Deutschen schossen so über das Feld, dass die Erde nur so spritzte -, gaben auf die Schreibmaschinen wieder Stroh, und dann die Erde und Gras drauf. Nichts war zu sehen, es war alles wie zuvor. Der Bauer war schon früher abgehauen, und dann machten wir uns auch auf den Weg, so um drei Uhr am Nachmittag, und wir marschierten die ganze Nacht durch.
Am nächsten Tag griffen uns die Deutschen wieder an und jagten uns. Alle Partisanen aus dem Savinja-Tal hinauf auf die Velika planina. Vereinzelte haben sich selbständig durchgeschlagen, aber die meisten Partisanen haben sich auf der Velika planina wieder getroffen. Es war aber Jänner, der Schnee lag hoch, dort oben hat es viele Hütten gegeben, du hast keine gesehen, nur so einen Bug, und wenn du vor die Hütte getreten bist, dann bist du eingebrochen, wo auch immer. Und die Deutschen die ganze Zeit hinter uns her. Da hat der Kommandant gesagt: „Die Buben werden nicht durchkommen, die sind zu schwach und die Deutschen hinter uns her.“ Da hat aber ein Bauer, ein gewisser Potoènik, so geschrien: „Ich habe den Weltkrieg durchlitten, ich nehme die Buben mit.“ Mit uns waren auch eine alte Frau und ein alter Mann, 70 Jahre alt, die konnten nicht mehr weiter. Wir sind zu einer Säge gekommen, da war ein Zimmer drinnen, und wir heizten ihnen ein, es war ein Sparherd drinnen, wir versprachen, sie am nächsten Tag abzuholen. In der Früh, als wir zurückkamen, war die Säge abgebrannt, es gloste noch ein wenig. Wenn der Potoènik damals uns nicht genommen hätte, hätte es meinen Bruder Tonèi und mich nicht mehr gegeben. Und dann waren wir acht Tage ohne Essen, zum Teufel, ich sag' dir, wir waren komplett ausgehungert.
Auf der Spitze der Velika planina zählten sie uns ab. Ich glaube, wir waren 1.800 Partisanen oben, jeden Tag weniger, denn von denen, die hinuntergingen, kam keiner zurück. Unten hatten die Deutschen alles eingekreist, die dachten sich wohl, irgendwo müssen sie ja hinunter kommen, wenn sie hungrig werden. Wir hatten oben zwölf oder dreizehn Pferde, jeden Tag hat eines gefehlt. Und dann kam in der Früh auf einmal das Kommando: „Jetzt aber fort, hinunter, zwischen den Deutschen hindurch, fertig, aus!“ Oh Gott, hat es gekracht. Um zwei Uhr in der Früh gingen wir einen Hügel hinunter; wir sind in der Rinne, in der normalerweise Baumstämme ins Tal geschickt werden, abwärts geglitten. Aus Kamnik leuchteten die Deutschen schon mit Scheinwerfern herauf, es war so hell, das man eine Nadel hätte finden können, aber es hieß: „Auf den Boden legen, liegen bleiben“. Dann weiter, um vier Uhr in der Früh waren wir unten bei der Straße, da hat es erst richtig zu krachen angefangen. Die haben so geschossen, dass, wenn du Richtung Hang geschaut hast, nur noch rote und blaue Striche zu sehen waren. Die Äste und Blätter sind nur so heruntergeprasselt. Dort lag einer und hat nur noch geschrien: „Hilf mir, hilf mir!“ Ich bin gerannt, als ob der Teufel hinter mir her wäre.
Auf dem Weg von der Velika planina sind wir aufgesplittert worden. Jede Gruppe ist in eine andere Richtung gegangen. Wie viele erschossen wurden, das weiß keiner. Unsere Gruppe war eine der ersten, die von der Velika planina in die Ebene gelangte, so dass wir in der Senke waren, als die Deutschen zu schießen begannen, und sie schossen über unsere Köpfe in den Abhang hinein. Auf der Straße lagen zwei Partisanen und schossen auf die Deutschen, wir wollten über die Brücke, unser Kommandant schrie: „Los, über die Brücke, durch das Wasser führt kein Weg.“ Das Wasser war nämlich zu hoch. Andrerseits schossen die Deutschen mit Maschinengewehren, dass die Kugeln nur so flogen, bei meiner Seel', dass du so etwas überlebst. Im Krieg ergeht's dem Menschen schlimmer als einem Hasen bei der Jagd. Über die Brücke konnten wir also nicht. Der Kommandant, ein junger Mann aus Ljubljana. schrie: „Durch das Wasser.“ Als der erste ins Wasser ging, war er auch schon weg. Einmal waren die Beine oben, einmal der Kopf, er wurde abgetrieben wie nichts. Was soll man da machen? Wir klammerten uns aneinander und sind hinüber. Über mich und meinen Bruder ist das Wasser nur so geronnen. Der, den es abgetrieben hatte, ist hundert Meter weiter unten angekommen. Und dann den ganzen Tag in den nassen Sachen herumlaufen. Und das im Jänner. Es ist alles sofort hart geworden, in dem Moment, in dem wir aus dem Wasser stiegen. Nur - gefroren hast du nicht, du bist ja gegangen wie der Teufel. Als wir am anderen Ufer waren, sagte der Kommandant: „Wer eine Zigarette hat soll sie schnell rauchen!“ Madonna, sie haben kaum diese nassen Tschik aus Zeitungspapier gedreht und angesteckt, griffen uns die Deutschen schon mit Granatwerfern an, weg mit den Tschiks und davon. Unser Glück, dass die Deutschen fünf Minuten zu früh angegriffen haben, sonst wären wir alle tot gewesen.
Dann rannten wir aber einen Tag lang. Wir sind in den Felsen gelegen - die Deutschen immer hinter uns her, hinauf und hinunter, bis wir in Krajn waren, und da hat dann der Kommandant gesagt: „So, jetzt aber hinein ins Dorf.“ Um vier Uhr am Nachmittag besetzten wir ein Dorf aus dem die Deutschen gerade gekommen waren. Hinein, hinein, wir brauchen etwas zu essen. Die Bauern baten uns: „Flieht, flieht, es sind lauter Deutsche ringsherum.“ Der Kommandant aber sagte: „Entweda - oder. Wir brauchen etwas zu essen, sonst krepieren wir.“ Dann haben sie uns aufgeteilt, zwei, drei, zu jeweils einem Bauern. Dort wo ich war, waren wir zu fünft, und wir bekamen einen Riesenlaib Brot, weiß, und eine große Schüssel Milch. Ich aß mich derart an, ich dachte, ich geh ein, so schlecht war mir dann. Oh Gott. Wir hatten uns kaum angegessen, da kam schon die Meldung: „Die Deutschen kommen ins Dorf fliehen wir.“ In Krajn gibt es diese länglichen kozolci [Harpfen], voll mit Heu, wir konnten nirgends mehr hin, hinter so einem kozolec haben wir uns versteckt. Hätten die Deutschen genauer hingeschaut, nicht einer von uns wäre übrig geblieben, bei meiner Seel, aber die sind einfach an uns vorbei und hinein in den Stall. Uns hat das Herz bis zum Hals geklopft, aber keiner hat zu uns hingeschaut. Vielleicht hat es einer getan und sich gedacht, bleibt nur, wo ihr seid. Vielleicht war auch kein Schlimmer dabei, 50 sind an uns vorbei und ins Dorf gegangen. Kaum waren sie an uns vorbei, rannten wir auf und davon.
Von dort weg hat uns dann wieder ein Bauer geführt. Der hat gesagt: „Ich begleite euch bis zur Straße, aber keinen Schritt weiter, da müsst ihr selber aufpassen.“ Freilich, wir gehen die Straße entlang, und nähern uns einem deutschen Bunker. Plötzlich begann es zu krachen, wir sprangen ins Wasser und rannten dann bis Kärnten. Weißt du, die haben aber auch so geschossen, ich glaube, da hat keiner richtig nach uns gezielt. Die haben sich gedacht: soll euch doch der Teufel holen. Gerade soviel, dass sie uns erschreckt haben. Wenn die wirklich gewollt hätten, die hätten uns erschossen wie nichts, die haben uns ja schon von weitem sehen müssen. Es ist ja nicht jeder Mensch gleich. Waren halt die Richtigen im Bunker, sonst hätten sie uns auf der Straße sofort niedergemetzelt. Na, und dann sind wir gegangen, bis wir bei der Košuta herausgekommen sind.
Von dort sind wir hinunter nach Ebriach, wir kommen zu einem Bunker, da hat schon der komandir auf uns gewartet, es war schon die Nachricht durchgegangen, dass wir kommen. Der hat uns in eine Jägerhütte gejagt, das war ihr Winterbunker, und zu uns gesagt: „Burschen, wir sind verraten, frühstückt schnell und dann geht, um vier Uhr in der Früh werden wir den Bunker räumen.“ Der, der uns geführt hat, hat überlebt und noch zwei, die sich im Schnee vergraben hatten, die anderen wurden alle von den Deutschen erschossen. Um sechs Uhr in der Früh haben dann die Deutschen das Jägerhaus überfallen.